Müssen Bezüge von Anwärtern auf ein Beamtenverhältnis bei Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst zurückgezahlt werden?
Matthias Wiese • 16. November 2022
Mit der Antwort auf diese Frage beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag und ein kürzlich ergangener Beschluss des Bumdesverwaltungsgericht (BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2022 – 2 B 5/22 –, juris; s. a. von der Weiden, jurisPR-BVerwG 22/2022 Anm. 2).
Letztlich ist dies abhängig vom jeweiligen Beamtenrecht bzw. (Landes-) Besoldungsgesetz. Beispielsweise kann im Freistaat Thüringen gem. § 50 Abs. 4 Thüringer Besoldungsgesetz (ThürBesG) für Anwärtern auf eine Beamtenlaufbahn, die im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes ein Studium ableisten, die Gewährung der Anwärterbezüge von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden. In Thüringen wird das Verfahren näher durch die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Thüringer Besoldungsgesetz“ (ThürBesGVwV) ausgestaltet.
Dies beinhaltet demnach grundsätzlich auch die Möglichkeit, unter bestimmten (in der betreffenden Auflage konkret zu bezeichnenden) Umständen die Gewährung der Anwärterbezüge ggf. teilweise vom Bestehen der Laufbahnprüfung und/oder von dem Fortbestand des Beamtenverhältnisses abhängig zu machen. Eine „Auflage“ in diesem Sinne kann nämlich z. B. das Verbleiben im öffentlichen Dienst für eine bestimmte Mindestzeit bzw. das Verbot des vorzeitigen Ausscheidens ohne triftigen Grund sein (a. a. O., m. w. N.).
Sachverhalt und Entscheidung des BVerwG
Die dortige Klägerin war im September 2014 zum Zwecke der Laufbahnausbildung als Kommissaranwärterin in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in NRW ernannt worden (BVerwG, a. a. O.). Im November 2015 wurde sie bestandskräftig aus dem Beamtenverhältnis entlassen, weil ihr mehrfacher Cannabiskonsum und ihr dienstliches Verhalten nach dieser Verfehlung gegenüber Dienstvorgesetzten und Kollegen berechtigte Zweifel an ihrer charakterlichen Eignung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst begründet hätten (a. a. O.).
In der Folge forderte das zuständige Landesamt für den Zeitraum von September 2014 bis zum November 2015 einen Teil ihrer Anwärterbezüge (insgesamt ca. 10.000 Euro) zurück und begründete dies damit, dass die Klägerin gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen und damit ihre Entlassung zu vertreten habe (a. a. O.). Auf ihren Widerspruch wurde der Klägerin lediglich die Tilgung der Rückforderung in monatlichen Raten bewilligt und der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen (a. a. O.).
Das OVG hatte das zunächst der Klage stattgebende Urteil des VG geändert und die Klage gegen den Rückforderungsbescheid abgewiesen und die Revision nicht zugelassen (a. a. O.).
Insbesondere habe die von der Klägerin in den Fokus gestellte Frage, „ob bei der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen charakterlicher Nichteignung die Entlassung von dem Beamten zu vertreten ist“, keine grundsätzliche Bedeutung (a. a. O.). Soweit diese Frage sich überhaupt allgemein (und nicht lediglich speziell im Einzelfall) beantworten ließe, sei sie nach Auffassung des BVerwG bereits im Sinne der vorhergehenden Bewertung durch das OVG zutreffend beantwortet (a. a. O.).
Gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 LBesG NRW i. V. m. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB besteht ein Anspruch des Dienstherrn auf Rückzahlung von Bezügen, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eintritt (a. a. O.). Nach § 74 Abs. 4 LBesG NRW (s. a. im Bund § 59 Abs. 5 BBesG oder in Thüringen § 50 Abs. 4 ThürBesG) kann die Gewährung von Anwärterbezügen für Anwärter, die im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes ein Studium ableisten, von der Erfüllung von „Auflagen“ abhängig gemacht werden (a. a. O.). Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, sicherzustellen, dass Anwärter, die zunächst im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes an einer Fachhochschule studieren, dann aber nicht als Beamte im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn verbleiben, keine finanziellen Vorteile gegenüber anderen Studierenden erlangen würden (a. a. O.). Der Dienstherr dürfe dabei die Zahlung der Anwärterbezüge auch daran knüpfen, dass der Anwärter nicht aus einem von ihm zu vertretenden Grund aus dem Vorbereitungsdienst ausscheidet (a. a. O.).
Auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage, „ob eine Behörde an diejenigen Gründe auch im Hinblick auf die Rückforderung von Bezügen gebunden ist, die sie in der Entlassungsverfügung angegeben und begründet hat“, hatte keine für die Zulassung der Revision erforderliche grundsätzliche Bedeutung (a. a. O.).
Rechtliche Bewertung
Die Entscheidung des BVerwG beinhaltet (wie im Nichtzulassungsverfahren i. d. R.) nichts fundamental Neues. Beamtenanwärtern, die i. R. d. Vorbereitungsdienstes ein Studium ableisten, kann (im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn) die „Auflage“ gemacht werden, für eine bestimmte Mindestzeit im öffentlichen Dienst zu verbleiben bzw. nicht vorzeitig ohne triftigen Grund aus dem öffentlichen Dienst auszuscheiden. Verstößt ein Beamtenanwärter hiergegen, muss er u. U. mit der Rückforderung (eines Teils) der bis dahin erhaltenen Anwärterbezüge rechnen. Auch aus diesem Grund gilt, dass unbedingt schon die Bewerbung für eine Laufbahnausbildung im Beamtenverhältnis gut zu durchdenken und ggf. frühzeitig auch anwaltlicher Rat von einem beamtenrechtlich spezialisierten Rechtsanwalt einzuholen ist. Erst recht gilt dies, wenn bereits eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf (auf eigenen Antrag oder auch durch den Dienstherrn) im Raum steht.
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Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 7.3.2024 im Falle eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Polizeibeamten im Saarland entschieden, dass die finanzielle Abgeltung der von ihm geleisteten Mehrarbeit (im Umfang von 205 Mehrarbeitsstunden) nach § 78 Abs. 3 SBG nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

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