Bei wem muss ein Dienstunfall angezeigt und was muss dabei (mindestens) gemeldet werden? Ist eine fristwahrende Anzeige entbehrlich, wenn der Dienstherr Leistungen aus dem Dienstunfall erbracht und z.B. bereits ärztliche Behandlungskosten übernommen/gezahlt hat?
Mit der Beantwortung dieser Fragen beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag zu einer aktuellen Entscheidung des BVerwG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 2 B 40/22 –, juris; s. a. von der Weiden, jurisPR-BVerwG 8/2024 Anm. 4).
Sachverhalt
Dem Kläger in dem o.g. Verfahren ging es um die Gewährung von Unfallruhegehalt (a.a.O.). Er stand als Posthauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8) und Bundesbeamter im Dienst der Bundesrepublik Deutschland (a.a.O.).
Der Hintergrund des Rechtsstreits am BVerwG war darauf zurückzuführen, dass er 1991 im Dienst Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls wurde und dabei auch erhebliche Verletzungen erlitt (a.a.O.). In der Folge war der Kläger mehrere Monate dienstunfähig und befand sich im Nachgang wiederholt auch in stationärer psychotherapeutischer Behandlung (a.a.O.). Außerdem hatte er erhebliche orthopädische Probleme und litt insbesondere an einem Verschleiß der Wirbelsäule und der großen Gelenke (a.a.O.). Im Jahr 2011 die Beklagte den Kläger wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand (a.a.O.).
Der Kläger beantragte die Gewährung von Unfallruhegehalt, was die Beklagte -wie auch seinen nachfolgenden Widerspruch - ablehnte, weil es angeblich an der erforderlichen Kausalität des Dienstunfalls für Dienstunfähigkeit und Zurruhesetzung gefehlt habe (a.a.O.). Wesentlicher Grund für die Zurruhesetzung seien die körperlichen Beeinträchtigungen im Bewegungs- und Stützapparat gewesen (a.a.O.). Die im ärztlichen Gutachten, welches zur Zurruhesetzung führte, mit diagnostizierten depressiven Störungen hätten ihre Ursache im Übrigen nicht in dem Dienstunfall aus dem Jahre 1991, sondern in anderen, unfallfremden Umständen (a.a.O.).
Zunächst war der Kläger mit seiner Klage auf Gewährung von Unfallruhegehalt in beiden Instanzen am VG und am OVG erfolglos geblieben (a.a.O.). Das BVerwG hatte auf seine Revision das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OVG zurückverwiesen (a.a.O. unter Hinw. auf: BVerwG, Urt. v. 02.12.2021 - 2 C 36/20 - BVerwGE 174, 209). Dies hatte das BVerwG darauf gestützt, dass das Berufungsgericht zu ermitteln habe, ob der Kläger den Meldepflichten nach § 45 Abs. 2 BeamtVG entsprochen hätte (a.a.O.). Wäre dies zu bejahen, müsse – unter Heranziehung eines medizinischen Sachverständigen – weiter geprüft werden, ob die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers im Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung dienstunfallbedingt gewesen seien und – falls ja – ob sie eine wesentliche Mitursache für die Dienstunfähigkeit des Klägers gewesen seien (a.a.O.).
Der Kläger hatte demnach Unterlagen zu dem Unfall/Dienstunfall unmittelbar im Nachgang an den Unfall bzw. den Überfall 1991/1992 an den Behördenarzt sowie an die Unfallkasse gerichtet, während die Dienstunfallfürsorgestelle/Unfallkasse im Nachgang diverse Leistungen aus dem Dienstunfall erbracht hatte und neben ärztlichen Kosten einen Unfallsausgleich gewährte (a.a.O.; s. a. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2022 – 1 A 612/14 –, Rn. 47, juris).
Das OVG hat die Berufung des Klägers sodann erneut zurückgewiesen, während das BVerwG die nunmehr gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete und auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers gestützte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 19.12.2023 zurückgewiesen hat (a.a.O.).
Entscheidung des BVerwG
Seine Entscheidung hat das BVerwG nun damit begründet, dass die vom Kläger als angeblich i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsatzbedeutend aufgeworfenen Rechtsfragen nicht entscheidungserheblich bzw. auch nicht klärungsbedürftig/-würdig gewesen seien (a.a.O.). Ein Verfahrensfehler i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO habe nicht vorgelegen bzw. sei nicht hinreichend dargelegt worden (a.a.O.).
Schließlich habe es bereits an der rechtzeitigen Meldung des Dienstunfalls bei der (damals) zuständigen Stelle gefehlt (a.a.O.).
§ 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nennt als Adressaten der Unfallmeldung den „Dienstvorgesetzten des Verletzten“ (a.a.O.; s. a. § 39 Abs. 1 S. 1 ThürBeamtVG). In § 45 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG ist bestimmt, dass die Frist für die Unfallmeldung auch dann gewahrt ist, wenn der Unfall bei der demnach zuständigen Stelle – nunmehr seit Änderung des Gesetzes im Jahr 2017 „der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle“ - gemeldet worden ist (s. a. in Thüringen § 39 Abs. 1 S. ThürBeamtVG). Das war jedoch im Streitfall nach der Gesetzesfassung, die im Zeitpunkt des Unfalls des Klägers und in den Zeitpunkten des Auftretens der möglichen Unfallfolgen galt, die „für den Wohnort des Berechtigten zuständige untere Verwaltungsbehörde“ (a.a.O.).
Die Meldung des Klägers an seine Dienstherrin reichte daher nicht aus, um die Ausschlussfrist gem. § 45 Abs. 1 S. 1 BeamtVG (zwei Jahre nach dem Eintritt des Unfalls) oder zumindest die nach § 45 Abs. 2 S. 1 BeamtVG (spätestens 10 Jahre nach dem Eintritt des Unfalls) zu wahren (a.a.O.).
Zwar hätte nach neuer Rechtslage eine Meldung auch bei der Dienstunfallfürsorgestelle zur Fristwahrung gem. § 45 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 BeamtVG ausgereicht (a.a.O.). Die Neuregelung in § 45 Abs. 1 S. 1 BeamtVG im Jahr 2017 habe jedoch keine rückwirkende Geltungsanordnung enthalten und auch nicht lediglich klarstellenden Charakter gehabt, sondern die bisherige Zuständigkeit der unteren Verwaltungsbehörde als überflüssig angesehen, weil sie keine praktische Bedeutung gehabt habe, während eine Unfallmeldung gegenüber der Dienstunfallfürsorgestelle als sinnvoll angesehen wurde (a.a.O.).
Des Weiteren ergebe sich aus der gesetzlichen Regelung in § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG, dass der Beamte lediglich mögliche Dienstunfallfallfolgen eines – sicher oder möglicherweise eingetretenen – Dienstunfalles benennen muss, dies aber mittels einer von ihm abgegebenen oder von ihm veranlassten Erklärung gegenüber einem im Gesetz benannten Empfänger (a.a.O.). Dabei sei bezüglich der Meldung von Unfallfolgen erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Beamte gegenüber einem im Gesetz benannten Erklärungsempfänger einen möglichen Körperschaden anzeigt, der möglicherweise Folge eines Dienstunfallereignisses ist (a.a.O.).
Auch komme es nicht auf die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen durch den Dienstherrn an (a.a.O.). Deren Gewährung setze gem. § 45 BeamtVG die Erfüllung von Dienstunfallmeldepflichten voraus. Werden daher Unfallfürsorgeleistungen erbracht, obwohl die i. S. d. § 45 BeamtVG bestehenden Dienstunfallmeldepflichten nicht erfüllt sind, führe das nicht zur Entbehrlichkeit der Meldepflichten des Beamten, sondern zur Rechtswidrigkeit der demnach grundlosen Leistungsgewährung (a.a.O.). Der Dienstherr könne sich daher trotz Leistungsgewährung auf den Fristablauf bzw. die unterbliebene Unfallmeldung bei zuständiger Stelle berufen (a.a.O.).
Rechtliche Bewertung und Tipps
Die Entscheidung des BVerwG bestätigt letztlich die ständige Rechtsprechung. Die Bewertung verdient grds. Zustimmung, zumal sie der insofern nicht beanstandeten gesetzlichen Regelung in § 45 BeamtVG und damit insbesondere dem Gesetzesvorbehalt in § 3 BeamtVG entspricht.
Betroffenen Beamtinnen und Beamten ist daher weiterhin anzuraten, im Falle eines etwaigen Dienstunfalls eine Unfallmeldung unverzüglich bei dem Dienstvorgesetzten abzugeben. Zumal sich die Fristen je nach einschlägigen Beamtenversorgungsgesetz durchaus unterscheiden. In Thüringen ist beispielsweise gem. § 39 Abs. 1 S. 1 die Ausschlussfrist nur dann gewahrt, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten nach dem Eintritt des Unfalls „bei dem Dienstvorgesetzten oder der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle des Verletzten“ erfolgt . I. S. v. § 45 Abs. 1 S. 3 BeamtVG ist im Bereich des Bundes nun ebenfalls die Abgabe auch bei der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle grds. fristwahrend. Dabei muss in der Dienstunfallmeldung nicht etwa die Kausalität bestimmter Gesundheitsschäden mit dem Dienstunfall behauptet werden, da es nach o. g. Rspr. des BVerwG genügt, wenn bestimmte seit dem Dienstunfall vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. Körperschäden anzeigt werden, die möglicherweise Folge des Dienstunfalles sind (a.a.O.).
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