Blog-Layout

Habe ich das Recht zu erfahren, wie hoch das Gehalt meiner Kollegen ist, obwohl ich nur als freier Mitarbeiter tätig bin?

Matthias Wiese • 11. August 2020
Entgelttransparenzgesetz – Recht auf Auskunft wegen Entgeltgleichheit für alle Beschäftigten?

Besteht im Zusammenhang mit dem Gebot der Entgeltgleichheit gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) für alle Beschäftigten (z.B. auch für freie Mitarbeiter und arbeitnehmerähnliche Personen)?
Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt mit seinem Urteil vom 25.6.2020 für eine freie Mitarbeiterin einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt (ZDF) bejaht. Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 EntgTranspG sind demnach unionrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der RL 2006/54/EG weit auszulegen, weshalb im Einzelfall auch arbeitnehmerähnliche Personen i. S. d. innerstaatlichen Rechts Arbeitnehmer sein können (vgl. BAG, Pressemitteilung Nr. 17/20 zu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Juni 2020 - 8 AZR 145/19 -Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Februar 2019 - 16 Sa 983/18).

Sachverhalt und Verfahrensgang
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag die Klage einer beim ZDF als freier Mitarbeiterin beschäftigten Redakteurin zu Grunde. Diese war ab 2007 zunächst als online-Redakteurin i. R. befristeter Verträge sowie dann ab Juli 2011 in einem unbefristeten Vertragsverhältnis als "Redakteurin mit besonderer Verantwortung“ bei der Fernsehanstalt tätig (a. a. O.).
Die Klägerin hatte zunächst u.a. unter Hinweis auf eine nach ihrer Auffassung vorliegende Entgeltdiskriminierung verschiedene Zahlungs- und Entschädigungsansprüche verfolgt und auch ihre Beschäftigung als Arbeitnehmerin festgestellt wissen wollen. Diese Klage hatte jedoch weder beim ArbG noch beim LAG Erfolg (a. a. O.; s. a. FD-ArbR 2020, 430732, beck-online). Auch die hierzu erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hatte das Bundesarbeitsgericht (Az.: 9 AZN 504/19) als unzulässig verworfen ( a. a. O.). Daher stand im Fall der Klägerin rechtskräftig fest, dass sie jedenfalls nicht als „Arbeitnehmerin“ im Sinne nationalen Rechts galt (a. a. O.).
Am 1.8.2018 begehrte die Klägerin dann schriftlich gegenüber dem Personalrat Auskunft nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG (a. a. O.). Der Personalrat antwortete nach Rücksprache mit der Personalabteilung der Beklagten, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin nicht unter das EntgTranspG falle und deshalb keinen Auskunftsanspruch habe (a. a. O.).

Das Landesarbeitsgericht hat wie zuvor das Arbeitsgericht die Klage auf Erteilung von Auskunft über  die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung (1.) und über das Vergleichsentgelt (2.) abgewiesen (a. a. O.). Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Klägerin nicht Arbeitnehmerin i. S. d. nationalen Rechts und als arbeitnehmerähnliche Person nicht Beschäftigte i. S. d. § 5 Abs. 2 EntgTranspG sei (a. a. O.). Daher bestehe kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte (a. a. O.).
Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Verfahren die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen (a. a. O.).

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat am Bundesarbeitsgericht in Erfurt Erfolg (a. a. O.). Demnach kann sie von der Fernsehanstalt i. S. d. § 10 Abs. 1 EntgTranspG Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung verlangen, da sie als freie Mitarbeiterin der Beklagten "Arbeitnehmerin" i. S. v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG und damit Beschäftigte i. S. v. § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgeltTranspG ist ( a. a. O.).
Die Begriffe "Arbeitnehmerin" und "Arbeitnehmer" in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sind nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen (a. a. O.). Andernfalls würde es aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts im deutschen Recht an einer Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit fehlen ( a. a. O.).
Eine – jedoch nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt zwingend erforderliche - ausreichende Umsetzung sei bislang weder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch ansonsten erfolgt (a. a. O.). Erst das Entgelttransparenzgesetz enthalte überhaupt Bestimmungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit gerichtet seien (a. a. O.).
Ob die Klägerin gegenüber der Beklagten auch einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichsentgelt hat, konnte das Bundesarbeitsgericht aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden (a. a. O.). Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (a. a. O.).

Rechtliche Bewertung
§ 10 EntgTranspG i. V. m. §§ 11 bis 16 EntgTranspG sehen für Beschäftigte den Auskunftsanspruch über den auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Median des durchschnittlichen monatlichen Brutto-Entgeltes vor (vgl. FD-ArbR 2020, 430732, beck-online). Voraussetzung dafür ist, dass die Beschäftigten in einem Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigten arbeiten und in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen, die von einer Vergleichsgruppe mit mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird (a. a. O.).
Fraglich war hierbei letztlich von Anfang an, ob sich hierauf auch arbeitnehmerähnliche Personen (wie freie Mitarbeiter) berufen könnten (a. a. O.). Diese Frage rührte daher, dass das Gesetz – anders als ursprünglich noch im Referentenentwurf vorgesehen – nicht für arbeitnehmerähnliche Personen gelten sollte (a. a. O.). Diese umstrittene Frage hat das Bundesarbeitsgericht nun dahingehend entschieden, dass auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zurückzugreifen ist (a. a. O.).
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist eine wichtige Entscheidung zur Umsetzung der Entgeltgleichheit im Bereich der BRD. Insbesondere die der Pressemitteilung der Erfurter Richter am Bundesarbeitsgericht zu entnehmenden Aussagen zur bislang unzureichenden Umsetzung des unionsrechtlichen Gebots der Entgeltgleichheit im nationalen Recht verdienen Zustimmung und sollten weitere Klägerinnen und Kläger ermutigen, im Wege entsprechender (arbeitsgerichtlicher und ggf. verwaltungsgerichtlicher) Verfahren/Klagen zur haltbaren Umsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte beizutragen.
Haben Sie Fragen zum Arbeitsrecht, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst oder zum Beamtenrecht? Rufen Sie uns direkt an und vereinbaren einen Termin mit einem unserer Anwälte in Erfurt - oder nutzen Sie das Kontaktformular unserer Homepage zum Einreichen Ihrer Frage. Wir melden uns dann so schnell wie möglich bei Ihnen zurück!

Ihr Wiese & Kollegen Team aus Erfurt
Kontakt:

Telefon: 0361 347 900
Fax: 0361 347 9014
Hier finden Sie uns:

Fischmarkt 6
99084 Erfurt
Anfahrt:

Mit der Straßenbahn:
Linie 3, 4, 6 (Haltestelle Fischmarkt / Rathaus)

Mit dem Auto:
Parkplatz hinter dem Rathaus in der Rathausgasse, Parkhaus am Domplatz

Ihre Frage an uns:

Ihre Nachricht an uns:

Ein Mensch in Arztkittel steht mit verschränkten Armen. In der rechten Hand hält er ein Stethoskop.
von Matthias Wiese 21. Oktober 2024
Tipps zum Rechtsschutz gegen Untersuchung beim Amtsarzt bei Dienstunfähigkeit
5 bis 20€ Geldnoten auf weißem Untergrund
von Matthias Wiese 25. September 2024
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 7.3.2024 im Falle eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Polizeibeamten im Saarland entschieden, dass die finanzielle Abgeltung der von ihm geleisteten Mehrarbeit (im Umfang von 205 Mehrarbeitsstunden) nach § 78 Abs. 3 SBG nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Ein Mann sitzt in einem braunen Ledersessel und stützt seinen Kopf mit seiner Hand.
von Matthias Wiese 3. Juli 2024
Bei wem muss ein Dienstunfall angezeigt und was muss dabei (mindestens) gemeldet werden? Ist eine fristwahrende Anzeige entbehrlich, wenn der Dienstherr Leistungen aus dem Dienstunfall erbracht und z.B. bereits ärztliche Behandlungskosten übernommen/gezahlt hat?
Ein Lehrer, an einer großen Tafel stehend, vor einer Schulklasse.
von Matthias Wiese 19. März 2024
Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (OVG Magdeburg) hatte sich kürzlich mit der Antwort auf diese Frage in zwei Normenkontrollverfahren im Rahmen seiner Urteile vom 7.3.2024 zu beschäftigen (OVG Magdeburg, Urteile vom 7.3.2024 – 1 K 66/23, 1 K 67/23). Demnach müssen Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt sich damit anfreunden, dass sie in den nächsten Jahren pro Woche eine zusätzliche Pflichtstunde abhalten müssen - die Regelung in der Arbeitszeitverordnung zur sogenannten „Vorgriffsstunde“ sei rechtens, so das OVG Magdeburg (vgl. FD-ArbR 2024, 806745, beck-online; s. a. OVG Sachsen-Anhalt, PM 3/2024 vom 07.03.2024).
3 Frauen sitzen sich an einem Tisch gegenüber
von Matthias Wiese 28. Februar 2024
Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst - Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch - Benachteiligung Schwerbehinderter
Justitia vor hellem Hintergrund
von Matthias Wiese 29. Januar 2024
Ist es möglich, seinen Bewerberverfahrensanspruch bei Vergabe von (Tarif-)Stellen im öffentlichen Dienst auch noch dann gerichtlich mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen, wenn der öffentliche Dienstherr/Arbeitgeber ohne Einhaltung einer adäquaten Wartefrist bereits einen Arbeitsvertrag mit einem Mitbewerber geschlossen hat? Wie muss im Falle der Wiederholung einer Auswahlentscheidung bzw. eines Auswahlverfahrens im öffentlichen Dienst die Stelle freigemacht werden?
Eine Person im Holzstuhl sitzend am Strand. Die Person hält ein Buch in der Hand.
von Matthias Wiese 14. Dezember 2023
Beamtenrecht: Entfernung aus dem Dienst wegen eigenm  ächtig „verlängerten Urlaubs“ während Corona-Pandemie?
von Matthias Wiese 20. November 2023
Beamtenrecht: Wirkt sich Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten auf die Höhe der Versorgungsbezüge aus?
Seitenansicht eines Mannes welcher ein Handy in den Händen hält
von Matthias Wiese 4. September 2023
Kann eine fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers auf eine Äußerung in einer privaten Chatgruppe gestützt werden oder kann sich der Arbeitnehmer auf Vertraulichkeit berufen?
Eine männliche Person die Dokumente unterzeichnet
von Matthias Wiese 11. Juli 2023
Haben Prüflinge Anspruch auf Zurverfügungstellung unentgeltlicher Kopien der von ihnen angefertigten Aufsichtsarbeiten einschließlich zugehöriger Prüfergutachten? Wie wirkt sich dies auf gegebenenfalls vergleichbare Ansprüche außerhalb des Prüfungsrechts - zum Beispiel auf personenbezogene Unterlagen/Daten im öffentlichen Dienst - aus?
Weitere Beiträge
Share by: