Kann der Dienstherr Beamte nach Bewerbung um eine Beförderung bzw. einen höherwertigen Dienstposten aus dem Auswahlverfahren auszuschließen, wenn ein Disziplinarverfahren läuft? Wann muss trotz eines laufenden Disziplinarverfahrens die Einbeziehung der Bewerbung des Beamten erfolgen?
Mit der Antwort darauf beschäftigt sich der nachfolgende Wiese & Kollegen Blog-Beitrag zu einer aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Beamtenrecht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2021 – 2 VR 1/21 –, juris).
Sachverhalt
Dem Verfahren beim BVerwG lag ein Eilantrag eines Beamten zu Grunde, der als Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15) im Dienst beim BND steht. Das Konkurrentenverfahren hatte der Beamte nach Ablehnung seiner Bewerbung um ein Beförderungsamt der Besoldungsgruppe A 16 gestellt (a. a. O.).
Der Beamte war vorher langjährig als Sachgebietsleiter tätig und übernahm im Juli 2019 kommissarisch die Leitung eines Referats (a. a. O.). Gegen ihn wurde ebenfalls im Juli 2019 ein Disziplinarverfahren wegen seines Verhaltens gegenüber ihm unterstellten Mitarbeitern in zwischen 2014 bis 2019 eingeleitet (a. a. O.).
Ende September 2019 wurde er von der kommissarischen Referatsleitung entbunden und wieder auf den Dienstposten eines Referenten (Besoldungsgruppe A 15) umgesetzt (a. a. O.). Der Dienstherr begründete dies Maßnahme damit, dass die erhobenen Vorwürfe Zweifel an seiner Eignung als Führungskraft begründen würden (a. a .O.).
Anfang 2020 schrieb der BND den Dienstposten eines Referatsleiters (Besoldungsgruppe A 16 BBesO) als Beförderungsdienstposten aus (a. a. O.). Darauf bewarb sich der Beamte (a. a. O.). Seine Bewerbung wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das zu diesem Zeitpunkt noch immer laufende Disziplinarverfahren unmittelbar die erforderliche Führungseignung betreffe (a. a. O.). Da das Disziplinarverfahren nicht offenkundig aussichtslos sei, könne keine uneingeschränkt positive Eignungsprognose erfolgen (a. a. O.).
Hiergegen hat der Beamte Eilrechtsschutz beim BVerwG ergriffen. Das BVerwG ist gem. § 123 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO für Verfahren im Geschäftsbereich des BND in erster und letzter Instanz zuständig (a. a. O.).
Entscheidung des BVerwG
Das BVerwG hat die Sichtweise des Dienstherrn bestätigt. Der Eilantrag wurde mangels Anordnungsanspruchs abgelehnt (a. a. O.).
Der Dienstherr ist hiernach berechtigt, Beamte für die Dauer eines gegen sie geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an der Eignung aus Auswahlverfahren um Beförderungen/Dienstposten auszuschließen (a. a. O.).
Der Ausschluss aus dem Auswahlverfahren ist nach Sichtweise des BVerwG nur dann zu beanstanden, wenn angesichts der erhobenen Vorwürfe offensichtlich kein Anlass bestand, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Verdacht eines Dienstvergehens nicht mehr gegeben ist oder wenn der Abschluss des Disziplinarverfahrens rechtsmissbräuchlich verzögert wurde (a. a. O.).
Davon war in dem hier besprochenen Verfahren nicht auszugehen, so dass kein Anordnungsanspruch zu Gunsten des Beamten bestand (a. a. O.). Der Ausschluss des Beamten aus dem Auswahlverfahren war nach Auffassung des BVerwG daher ermessensfehlerfrei und der Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde abgelehnt (a. a. O.).
Anspruch auf Genehmigung der Abordnung?
Nach Auffassung des BVerwG sei wegen fehlender gesetzlicher Grundlage einer Abordnung auf Antrag des Beamten für den Dienstherrn grds. bei der Entscheidung des Antrags ein noch weitergehender Ermessensspielraum als bei einer Versetzungsverfügung gegeben (a. a. O.). Die Ausübung des Abordnungsermessens diene in diesem Fall vorrangig dienstlichen Interessen (a. a. O.).
Daraus folgt auch unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), dass für Beamte regelmäßig kein Anspruch auf unmittelbare Bewilligung der Abordnung besteht. Es besteht aber in jedem Fall Anspruch auf ermessensfehlerfreie und rechtmäßige Entscheidung.
Bewertung
Die Entscheidung des BVerwG bestätigt die überwiegende Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung.
Demnach ist der Dienstherr grundsätzlich berechtigt, Beamte für die Dauer gegen sie laufender Disziplinarverfahren wegen der damit einhergehenden Eignungszweifel von einer möglichen Beförderung auszunehmen. Alles andere wäre zudem widersprüchlich im Verhältnis zu Vorschriften im Disziplinarrecht, wonach zahlreiche Disziplinarstrafen auch mit Beförderungsverboten einhergehen.
Im Übrigen ist aber gem. Art. 33 Abs. 2 GG klar, dass die bloße Einleitung eines Disziplinarverfahrens schon aus Fürsorgegründen aber auch wegen der Beschleunigungsgebote im Disziplinarverfahren natürlich nicht pauschal in allen Fällen zum Ausschluss einer Bewerbung führen kann.
Dem BVerwG ist daher auch zuzustimmen, dass ein Ausschluss der Bewerbung ausscheidet und selbst rechtsmissbräuchlich und widersprüchlich wäre, wenn schon die Einleitung des Disziplinarverfahrens haltlos war oder sich der Verdacht gegen den Beamten nicht erhärtet hat. Gleiches gilt für die unnötige Hinauszögerung des Abschlusses des Disziplinarverfahrens. Auch ein Disziplinarverfahren kann nämlich grds. nicht zur sachgrundlosen Einschränkung des Bewerbungsverfahrensanspruchs gem. Art. 33 Abs. 2 GG herhalten.
Auch und gerade deshalb sollte bei Fragen zu laufenden Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst, bei Ablehnung der Bewerbung und erst recht bei drohender oder erfolgter Einleitung eines Disziplinarverfahrens i. d. R. unverzüglich die Hilfe eines im Beamtenrecht spezialisierten Anwalts in Anspruch genommen werden.
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