Urlaubskürzung wegen Kurzarbeit?
Matthias Wiese • 5. Dezember 2021
Der Wiese und Kollegen Rechtsanwälte in Erfurt Blog heute zum Thema:
Urlaubskürzung wegen Kurzarbeit?
Gerade in Zeiten der aktuellen Corona-Pandemie stellt sich für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Frage, ob und ggf. wie sich Kurzarbeit auf die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer auswirkt. Kann der Jahresurlaub gekürzt werden, wenn Kurzarbeit angeordnet bzw. vereinbart war?
Mit der Beantwortung dieser Frage und der Urlaubsberechnung bei Kurzarbeit hat sich nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in seinem aktuellen Urteil vom 30.11.2021 (9 AZR 225/21) beschäftigt.
Das höchste deutsche Arbeitsgericht hat dabei entschieden, dass die anteilige Kürzung des Jahresurlaubs dann rechtmäßig ist, wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen (Quelle: BAG, Pressemitteilung Nr. 41/21 v. 30.11.2021).
Sachverhalt
Die Klägerin ist bei der Beklagten drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt (a. a. O.). Bei einer 6-Tage-Woche hätte ihr nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zugestanden, was bei einer vereinbarten 3-Tage-Woche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen entsprach (a. a. O.). Aufgrund Arbeitsausfalls durch die Corona-Pandemie führte die Beklagte Kurzarbeit ein (a. a. O.). Dazu trafen die Parteien Kurzarbeitsvereinbarungen, auf deren Grundlage die Klägerin u.a. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete (a. a. O.).
Wegen der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm die Beklagte eine Neuberechnung des Urlaubs vor und bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage (a. a. O.).
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Auch die Revision der Klägerin beim BAG hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat aus Sicht des BAG gegenüber der Arbeitgeberin keinen Anspruch auf weitere 2,5 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020 (a. a. O.).
Nach § 3 I BUrlG belaufe sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage (a. a. O.). Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, sei die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage; a. a. O.). Dies gelte entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien – wie im vorliegenden Fall – für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 I BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben (a. a. O.).
Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind nach dem Urteil des BAG weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen (a. a. O.).
Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die von der Beklagten berechneten 11,5 Arbeitstage (a. a. O.). Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
Rechtliche Bewertung
Die Entscheidung des 9. Senats am BAG folgt durchaus der bisherigen Linie des Gerichts. Gleichwohl hat die vorliegende Entscheidung wegen der zuletzt massiven Ausweitung der Kurzarbeit aufgrund der noch immer andauernden Corona-Pandemie zukünftig sicherlich erhebliche Auswirkungen. Schließlich dürften nunmehr deutlich mehr Arbeitgeber zumindest darüber nachdenken, den Urlaub ihrer Mitarbeiter bei Kurzarbeit anteilig neu zu berechnen bzw. zu kürzen.
Eine andere Frage ist aber natürlich, ob den (z. T. von Corona-Pandemie wirtschaftlich „gebeutelten“) Arbeitgebern auch die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt überhaupt erlaubt, derartige Kürzungen tatsächlich vorzunehmen.
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