Sind der Arbeitsweg und das Anlegen der Dienstkleidung zu Hause Arbeitszeit und müssen bezahlt werden?
Matthias Wiese • 19. Juni 2022
Sind der Arbeitweg und Anlegen der Dienstkleidung Arbeitszeit und müssen bezahlt werden?
Mit der Antwort auf diese Frage beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag zu einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt (BAG).
Das BAG hatte sich hierbei mit der Auslegung des Tarifvertrags für die Länder (TV-L) im Zusammenhang mit der Vergütung von Wegezeiten sowie von im häuslichen Bereich vorgenommenen Umkleide- und Rüstzeiten im Falle eines Wachpolizisten zu beschäftigen (vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 AZR 295/20 –, juris; s. a. Fischer, jurisPR-ArbR 14/2022 Anm. 1).
Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz tätig; auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-L Anwendung (a. a. O.).
Der Kläger war dabei verpflichtet, den Dienst mit angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und streifenfertiger Dienstwaffe anzutreten (a. a. O.). Es ist den Wachpolizisten dabei vom Arbeitgeber freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen (a. a. O.). Der Kläger hatte sich entschieden, die Uniform, PSA und die Waffe in seiner Wohnung zu lagern, sich dort dienstfähig zu machen und nach Rückkehr entsprechend zu handeln (a. a. O.).
Eine Möglichkeit, die Dienstbekleidung/Dienstuniform und die persönlichen Ausrüstungsgegenstände in einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Örtlichkeit zu lagern, bestand nicht (a. a. O.).
Das beklagte Land weigerte sich, die damit verbundenen, arbeitstäglich anfallenden Zeiten als Arbeitszeit anzuerkennen und entsprechend zu vergüten (a. a. O.). Die Tatsacheninstanzen gaben dem Kläger teilweise recht (a. a. O.).
Mit den Revisionen beider Parteien beschäftigte sich das BAG in o. g. Urteil.
Entscheidung des BAG
Nach dem Urteil des BAG ist die Zeit zum An- und Ablegen, Laden und Entladen der Dienstwaffe eines Wachpolizisten im Bereich seiner Privatwohnung nicht ausschließlich fremdnützig und damit auch nicht vergütungspflichtig, wenn dem Wachpolizisten ein wohnortnahes dienstliches Waffenschließfach vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt wird und keine Weisung des Dienstgebers existiert, diese Tätigkeiten zuhause vorzunehmen (BAG, a. a. O., Orientierungssatz Nr. 1).
Weiterhin ist die für das An- und Ablegen der Dienstuniform/Arbeitskleidung und persönlichen Schutzausrüstung eines Wachpolizisten im häuslichen Bereich aufgewendete Zeit demnach ausnahmsweise dann Arbeitszeit, die bezahlt werden muss, wenn dem Wachpolizisten am Einsatzort keine zumutbare Umkleidemöglichkeit für seine Privat- und Dienstkleidung sowie die Ausrüstungsgegenstände vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt wird (a. a. O., Orientierungssatz Nr. 2).
Wegezeiten eines Wachpolizisten zwischen Wohnung und Einsatzort sind zudem kein notwendiger Bestandteil der Bewachungstätigkeit und somit keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten i. S. v. § 611 Abs. 1 BGB bzw. i. S. v. § 611a Abs. 2 BGB, wobei etwas Anderes nicht daraus folgt, dass der Wachpolizist auf dem Weg zur Arbeit seine Dienstwaffe mitzuführen hat (a. a. O., Orientierungssatz Nr. 3 und Nr. 4).
Rechtliche Bewertung
Damit ist klar, dass die Antwort auf die eingangs gestellte Frage zur arbeitszeit- und vergütungsrechtlichen Bewertung derartiger „Rüstzeiten“ konsequenterweise mit der (Nicht-)Einräumung entsprechender Möglichkeiten durch den Dienstherrn bzw. öffentlichen Arbeitgeber und nicht zuletzt mit der jeweiligen Weisungslage zusammen hängt.
Bei Wegezeiten (Arbeitsweg) eines Wachpolizisten ist die Einschätzung des BAG demgegenüber eindeutig. Es handelt sich nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeiten, was konsequent ist, da es schließlich auch an dem Arbeitnehmer liegt, seinen Wohnort frei zu wählen (Fischer, a. a. O.).
Bei Wegezeiten (Arbeitsweg) eines Wachpolizisten ist die Einschätzung des BAG demgegenüber eindeutig. Es handelt sich nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeiten, was konsequent ist, da es schließlich auch an dem Arbeitnehmer liegt, seinen Wohnort frei zu wählen (Fischer, a. a. O.).
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Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 7.3.2024 im Falle eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Polizeibeamten im Saarland entschieden, dass die finanzielle Abgeltung der von ihm geleisteten Mehrarbeit (im Umfang von 205 Mehrarbeitsstunden) nach § 78 Abs. 3 SBG nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

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