Können Beamte sich nach erfolgter Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit um Reaktivierung des Beamtenverhältnisses bemühen und welche Voraussetzungen bestehen dafür? Bedarf der Antrag der Schriftform? Ist der Dienstherr bei Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zur unverzüglichen Bewilligung und ggf. zur Schaffung eines entsprechenden Dienstpostens/Einsatzbereichs verpflichtet? Mit den Antworten befasst sich der nachfolgende Beitrag.
Bei längerer Dienstunfähigkeit kommt für Beamte nicht selten zur Versetzung in den Ruhestand. Das Verfahren ist in §§ 26 ff. Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) in Verbindung mit den Beamtengesetzen des Bundes bzw. des jeweiligen Landes geregelt. Auch nach einer Zurruhesetzung kann sich jedenfalls bei verbesserter gesundheitlicher Situation ein Antrag auf erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis gem. § 29 BeamtStG anbieten. In einer aktuellen Entscheidung konkretisiert das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG) die Rahmenbedingungen eines solchen Antrags und damit auch die hierbei auf Seiten des Dienstherrn bestehende Verpflichtung im Sinne von § 29 BeamtStG (BVerwG, Urteil vom 15. November 2022 – 2 C 4/21 –, juris).
Sachverhalt
Dem Kläger ging es im Verfahren vor dem BVerwG um Schadensersatz wegen aus seiner Sicht verspäteter erneuter Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nach vorheriger Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit (BVerwG, a. a. O.). Er war wegen Dienstunfähigkeit im Jahr 2014 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden und stand zu diesem Zeitpunkt als Studiendirektor (BesGr. A15 mit Amtszulage) im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit (a. a. O.). Der Kläger war zuletzt als stellvertretender Schulleiter an einer Berufsschule tätig (a. a. O.).
Nach einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung wurde im Juli 2015 die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers festgestellt (a. a. O.). Daraufhin bat der Kläger bei seinem Dienstherrn wiederholt um Abstimmung im Hinblick etwaiger Einsatzmöglichkeiten und bekundete auch sein Interesse an einer ausgeschriebenen Stelle in der Schulverwaltung (a. a. O.).
Anfang Januar 2016 teilte der Beklagte mit, dass nun eine passende Einsatzschule gefunden sei und wies den Kläger darauf hin, dass die für eine Reaktivierung erforderlichen Beteiligungsverfahren nun ca. drei bis vier Wochen in Anspruch nehmen würden (a. a. O.). Erst im Februar 2016 wurde der Kläger sodann erneut in das aktive Beamtenverhältnis berufen (a. a. O.).
Im Anschluss forderte der Kläger Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinen Ruhestandsbezügen und der im aktiven Dienst gewährten Besoldung für den Zeitraum zwischen amtsärztlicher Feststellung und erneuter Berufung in das aktive Beamtenverhältnis (a. a. O.). Der Beklagte lehnte den Antrag ab; Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (a. a. O.).
Entscheidung des BVerwG
Das BVerwG hat mit seinem Urteil vom 15.11.2022 die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen (a. a. O.). Ihm stehe kein Schadensersatz gegen seinen Dienstherrn zu (a. a. O.). Zwar habe der Dienstherr seine Pflichten gem. § 29 BeamtStG verletzt, da dem klägerischen Anspruch auf erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nicht in angemessener Frist nachgekommen wurde (a. a. O.). Die Pflichtverletzung habe der beklagte Dienstherr aber (noch) nicht zu vertreten gehabt, da die Rechtslage im Hinblick auf die i. R. eines Reaktivierungsantrags nach § 29 Abs. 1 BeamtStG anzustellenden Prüfschritte und die hierfür angemessene Bearbeitungsdauer zum Zeitpunkt der Bearbeitung des Antrags noch nicht hinreichend geklärt war (a. a. O.).
Die Klärung ist nun durch das BVerwG in dem hier besprochenen Urteil erfolgt. Die eingangs gestellten Fragen beantworten sich demnach wie folgt:
1.
Der nach Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit grds. jederzeit mögliche Antrag eines Ruhestandsbeamten auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nach § 29 Abs. 1 BeamtStG bedarf nicht der Schriftform (a. a. O.).
2.
Der Dienstherr darf die erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht solange hinauszögern, bis ein passender Dienstposten zugewiesen werden kann; zwingende dienstliche Gründe stehen dem Reaktivierungsantrag nur entgegen, wenn der Dienstherr für den Ruhestandsbeamten keinen zumutbaren Aufgabenbereich einrichten kann (a. a. O.).
3.
Für die Bestimmung der angemessenen Bearbeitungsdauer eines Reaktivierungsantrags kann nicht auf die in § 75 VwGO enthaltenen Fristen zurückgegriffen werden (a. a. O.).
Tipps
Die Entscheidung des BVerwG schafft Klarheit, dass bei Wiederherstellung der Dienstfähigkeit gem. § 29 Abs. 1 BeamtStG auf Seiten des Dienstherrn grds. die Pflicht besteht, den Beamten/die Beamtin ggf. unverzüglich erneut in das aktive Dienstverhältnis zu berufen. Entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe sind im Sinne der Vorschrift demnach nur dann denkbar, wenn überhaupt kein zumutbarer Aufgabenbereich mehr zur Verfügung steht und ggf. auch nicht geschaffen/eingerichtet werden kann. Der in der Praxis auf Dienstherrnseite häufig anzutreffende (lediglich) dienstpostenbezogene Ansatz ist daher grds. ausgeschlossen.
Deshalb ist betroffenen Beamten in Abstimmung mit ihren behandelnden Ärzten zu raten, ggf. zeitnah die Möglichkeit des Antrags auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nach § 29 BeamtStG zu nutzen, um zunächst eine amtsärztliche Untersuchung zu erreichen und nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit insbesondere auch die finanziellen Nachteile der Zurruhesetzung möglichst zu begrenzen.
Dass ein solcher Antrag grds. nicht der Schriftform bedarf, ist nun auch geklärt. Der Antrag ist dann ohne zeitliche Verzögerung vom Dienstherrn zu bescheiden. Für die Bearbeitung konnte der Dienstherr im hier besprochenen Klageverfahren vor dem BVerwG maximal die von ihm selbst benannten 3-4 Wochen (zur Beteiligung der zuständigen Gremien) beanspruchen und sich nicht auf die in Verwaltungsverfahren sonst „übliche“ 3-Monats-Frist i. S. v. § 75 VwGO stützen.
Da die Pflicht zur Reaktivierung unter den Voraussetzungen der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit grds. auch ohne Antrag besteht und zumindest bei verzögerter Bearbeitung eines entsprechenden Begehrens des Beamten nach der nun vorliegenden Entscheidung des BVerwG u. U. auch beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen kann, ist den betroffenen Beamten zu raten, ihr Begehr (wenn nicht schriftlich) zumindest so zu formulieren/stellen, dass zumindest der Zugangszeitpunkt nachgewiesen werden kann.
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